Kommentar: Verteilkampf beim Bahnhof
Gemeinderat Alexander Tschäppät spricht von Notstand und Chaos und meint die Überbelegung der Veloabstellfläche rund um den Bahnhof. In der Tat ist die Nachfrage gross: Fast doppelt so viele Velos als vorgesehen belegen den vorhandenen Raum. Seit der Bahnhof auch Einkaufszentrum ist, wird die Fläche immer knapper und teurer. Mit Bahn 2000 erlebt der Bahnhof einen weiteren Quantensprung.
Die Stadt verdient an Rail City mit, indem
sie Stadtboden teuer vermietet. Doch hat sie es verpasst, die privaten
Partner in die Pflicht zu nehmen: Auch sie müssten eigentlich Veloabstellplätze
anbieten. Jetzt steht die Stadt allein da mit 2500 Velos, die Fläche
beanspruchen und keinen Gewinn abwerfen.
In ihrer Not greift die Behörde zum
Prinzip der Bewirtschaftung. Wer zahlt, bringt sein Velo in die gedeckte
Station, wer nicht zahlen will oder kann, stellt es auf die markierte Aussenfläche.
Neu gilt im Perimeter um den Bahnhof eine Maximaldauer von vier Tagen.
Velos und Roller, die ausserhalb der Markierungen stehen, werden abtransportiert.
Tönt irgendwie vernünftig: Die
knappe Fläche wird jenen zur Verfügung gestellt, die sie tatsächlich
brauchen. Velofahrende, die es mit den Verkehrsregeln ja ohnehin nicht
so genau nehmen, werden diszipliniert; Zugänge werden deblockiert.
Doch die mit viel Aufwand betriebene Bewirtschaftung
bedeutet letztlich eine Verknappung des Abstellangebots beim Bahnhof. Und
ein allzu rigoroser Ordnungsdienst könnte vom alltäglichen Gebrauch
des Velos abschrecken.
Kurz: Die Verkehrspolitik darf nicht dem Ordnungsprinzip untergeordnet werden. Jeder Weg, der ohne Verbrennungsmotor zurückgelegt wird, entlastet Umwelt, Stadtraum und Volkswirtschaft. Velos beanspruchen insgesamt bedeutend weniger Fläche als Autos. Sie – wie die Fussgängerinnen und Fussgänger auch – sollen Priorität im Stadtverkehr haben und dürfen grosszügige Lösungen erwarten.
DANIEL VONLANTHEN