Der Bund, Donnerstag, 5. August 2004, Ressort Stadt & Region


Kommentar: Verteilkampf beim Bahnhof

Gemeinderat Alexander Tschäppät spricht von Notstand und Chaos und meint die Überbelegung der Veloabstellfläche rund um den Bahnhof. In der Tat ist die Nachfrage gross: Fast doppelt so viele Velos als vorgesehen belegen den vorhandenen Raum. Seit der Bahnhof auch Einkaufszentrum ist, wird die Fläche immer knapper und teurer. Mit Bahn 2000 erlebt der Bahnhof einen weiteren Quantensprung.

Die Stadt verdient an Rail City mit, indem sie Stadtboden teuer vermietet. Doch hat sie es verpasst, die privaten Partner in die Pflicht zu nehmen: Auch sie müssten eigentlich Veloabstellplätze anbieten. Jetzt steht die Stadt allein da mit 2500 Velos, die Fläche beanspruchen und keinen Gewinn abwerfen.
In ihrer Not greift die Behörde zum Prinzip der Bewirtschaftung. Wer zahlt, bringt sein Velo in die gedeckte Station, wer nicht zahlen will oder kann, stellt es auf die markierte Aussenfläche. Neu gilt im Perimeter um den Bahnhof eine Maximaldauer von vier Tagen. Velos und Roller, die ausserhalb der Markierungen stehen, werden abtransportiert.

Tönt irgendwie vernünftig: Die knappe Fläche wird jenen zur Verfügung gestellt, die sie tatsächlich brauchen. Velofahrende, die es mit den Verkehrsregeln ja ohnehin nicht so genau nehmen, werden diszipliniert; Zugänge werden deblockiert.
Doch die mit viel Aufwand betriebene Bewirtschaftung bedeutet letztlich eine Verknappung des Abstellangebots beim Bahnhof. Und ein allzu rigoroser Ordnungsdienst könnte vom alltäglichen Gebrauch des Velos abschrecken.

Kurz: Die Verkehrspolitik darf nicht dem Ordnungsprinzip untergeordnet werden. Jeder Weg, der ohne Verbrennungsmotor zurückgelegt wird, entlastet Umwelt, Stadtraum und Volkswirtschaft. Velos beanspruchen insgesamt bedeutend weniger Fläche als Autos. Sie – wie die Fussgängerinnen und Fussgänger auch – sollen Priorität im Stadtverkehr haben und dürfen grosszügige Lösungen erwarten.

DANIEL VONLANTHEN