BZ,
Freitag, 20. August 2004
Bussen auch für Unschuldige?
Auch Velofahrer, die ihr Fahrzeug beim Bahnhof korrekt parkieren, riskieren nach neuer Parkierordnung eine Busse. Denn jedermann kann ein korrekt abgestelltes Velo aus dem Parkfeld entfernen.
In drei Minuten fährt der Zug. Alle Veloparkplätze vor dem Bahnhof sind voll. Da liegt die Versuchung nahe: Man nimmt das nächstbeste, korrekt abgestellte Fahrrad aus dem Parkfeld und stellt das eigene Velo hin. Das Nachsehen hat dann der andere Velobesitzer, wenn er feststellt, dass die Polizei sein Zweirad ins Park + Ride Neufeld abtransportiert hat. Und er es nur gegen eine Busse von 40 Franken wieder zurückerhält.
Zu solchen Szenen wird es kommen, sobald die Zweiradfahrer beim Berner Bahnhof ab 1. September nicht mehr freundlich über die neue Parkordnung informiert werden, sondern die Polizei die falsch abgestellten Velos gleich einpackt und mitnimmt. Da Velos im Gegensatz zu Autos problemlos von jedermann umplatziert werden können, wird es heikel, Velofalschparkierer zu büssen. Die Polizei befürchtet aber weniger, dass sie Unschuldige straft, denen tatsächlich jemand das Velo weggestellt hat. Vielmehr könnte es zur beliebten Ausrede werden, dass irgendein Unbekannter das korrekt abgestellte Zweirad ins Parkverbot verschoben habe, vermutet der Mediensprecher der Polizei, Franz Märki.
Die Velos anketten
Mit dieser Behauptung dürften Velo Fahrende juristisch allerdings einen schweren Stand haben, glaubt Franz Märki. «Die Polizei kann ja beweisen, dass das Velo falsch parkiert war. Die Besitzer müssten also ihrerseits nachweisen, dass sie ihre Fahrzeuge richtig abgestellt haben.» Märkis Tipp: Das Zweirad anketten. Doch längst nicht auf allen Veloparkplätzen ist es möglich, das Velo mit einem Schloss zu befestigen. Und wie soll ein Velofahrer nachträglich beweisen, dass er es korrekt abgestellt hatte?
Stephan Hirschi, Leiter der Velostation Bern, glaubt, dass das Problem lösbar ist: «Die Polizei wird nicht Velos einsammeln, die zehn Zentimeter neben dem Parkfeld stehen», glaubt er. «Ich nehme an, dass sie genug mit den eindeutigen Fällen zu tun haben wird. Ein Velo, das vor den Büros der ‹Swiss› an der Bahnhoffassade lehnt, hat ja wohl niemand schnell aus einem Veloparkfeld weggestellt.»
Die Bilder vergleichen
Auch mit der Videoüberwachung der
Abstellzeit laufe man keine Gefahr, dass Unschuldige gebüsst werden,
ist er überzeugt. Die Angestellten der Velostation Bern filmen alle
zwei Tage die abgestellten Zweiräder mit einer Digitalkamera. Anschliessend
vergleichen sie am Bildschirm die Bilder. «Auch wenn jemand sein
Velo jeden Tag am genau gleichen Ort abstellt, erkennt man an der veränderten
Pedalstellung oder an anderen kleinen Unterschieden, dass das Velo bewegt
worden ist.» Gebüsst werden jene, die ihr Velo länger als
vier Tage nicht benutzen. Ungeschoren kommen Langzeitparkierer
davon, die nicht als solche erkannt werden, weil andere das Velo etwas
zur Seite gerückt oder das Pedal bewegt haben.
ESTHER DIENER MORSCHER
IG-Velo: Demo für Abstellplätze
Die neue Parkordnung erhitzt die Gemüter vieler Velofahrerinnen und Velofahrer. JUSO, Junge Alternative und die IG Velo Bern rufen deshalb zu einer Velodemo auf. Diese startet am Montagabend um 18.30 Uhr bei der Heiliggeistkirche. Die Forderung der Initianten: genügend Veloabstellplätze.
mgt