Beschwerdeverfahren
in Sachen Halteverbotszone Aarberger-/Neuen-/Genfergasse

Wortlaut der Beschwerde



 

Bern, den 27.5.2004

L.S.I.
An das
Regierungsstatthalteramt von Bern
Amthaus
Hodlerstrasse 7
3011 Bern
 

Beschwerde

für

1.
Interessengemeinschaft Velo Bern, Postfach 6711, 3001 Bern,
handelnd durch den VizeVizeVizepräsidenten, Herrn René Zbinden, 3006 Bern,

2.
Herrn Beat Zobrist, Büro für Organisationsentwicklung und Projektmanagement,
Neuengasse 8, 3011 Bern, privat: Greyerzstr. 33, 3013 Bern,

beide vertreten durch den unterzeichneten Anwalt, Beschwerdeführer

gegen

Stadt Bern, handelnd durch die Direktion für öffentliche Sicherheit, Nägeligasse 2, 3011 Bern, Beschwerdegegnerin

betreffend

Verkehrsbeschränkungsverfügung Zonensignalisation Aarbergergasse/ Genfergasse/ Neuengasse gemäss Publikation vom 28.4.2004
 
 

I. RECHTSBEGEHREN

Die angefochtene Verfügung sei teilweise aufzuheben und mit folgendem Zusatz zu versehen: „Ausgenommen Fahrräder“.

Eventuell sei die Vorinstanz zu verpflichten, eine hinreichende Anzahl Veloabstellplätze im Verfügungsperimeter zu markieren.
         Unter Kostenfolge
 

II. Formelles

1. Die Interessengemeinschaft (IG) Velo Bern ist ein überparteilicher Verein i.S. von Art. 60 ff ZGB und i.S. von Art. 35 Abs.2 Bst. b BauG. Sie hat zum Ziel, die Verbreitung und Sicherheit des Verkehrsmittels Velo zu fördern, und die Interessen der Velofahrenden gegen-über Behörden und Privaten zu vertreten. Die IG Velo wacht statutengemäss darüber, dass die in der Bau-, Strassenbau-,  Planungs-, Strassenverkehrs- und Umweltschutzgesetzgebung vor-gesehenen Massnahmen zu-gunsten des Veloverkehrs realisiert und die entsprechenden Be-stimmungen korrekt angewendet werden. Sie ergreift zu diesem Zweck die notwendigen Rechtsmittel. Die IG Velo Bern besteht seit dem Jahr 1978, hat rund 3000 Mitglieder, und ist in der Stadt und Region Bern aktiv.

Die IG Velo Bern ist innerhalb der IG Velo Schweiz für das Teilgebiet der Region Bern zuständig und rekrutiert seine Mitglieder aus der Stadt Bern und den umliegenden Vororten. Dabei handelt es sich um aktive Velofahrer, welche oft mit dem Velo Ziele in der Innenstadt anfahren. Durch das angefochtene umfassende Anhalteverbot sind die meisten Mitglieder unmittelbar im Sinn des Art. 48 VwVG betroffen (vgl. BGE vom 6.6.1986 iS. IG Velo Basel c. Gde Münchenstein, Beilage). Die Möglichkeit, das Velo am Zielort abstellen zu können, ist entscheidend für die Wahl des umweltfreundlichen Verkehrsmittels. Die Veloabstellplätze bei der Unterführung Neuengasse und  der Ueberführung Aarbergergasse, sowie rund um die Heiliggeistkirche sind notorisch überfüllt. Die Mehrheit der IG-Velo-Mitglieder aus der Region befährt das von der Verfügung erfasste Gebiet häufig. Daraus ergibt sich die Legitimation der IG Velo, im Interesse der Mitglieder die publizierte Verfügung anzufechten.

2. Herr René Zbinden ist als Vizepräsident zur Zeichnung im Namen des Vereins berechtigt.

3. Herr Beat Zobrist ist Mitglied der iG Velo. Er ist Geschäftsinhaber eines Büros an der Neuengasse. Er fährt regelmässig mit dem Velo zur Arbeit. Er hat ein hohes Geschäftsinteresse, dass seine Kunden, welche sein Büro per Velo ansteuern, in der Nähe des Eingangs das Velo abstellen können. Dadurch ist er persönlich zur Beschwerde legitimiert.

4. Der unter-zeichnete Anwalt ist gehörig bevollmächtigt. Die Dreissigtagefrist seit der Publikation ist gewahrt.

Beweismittel:
1. Vollmacht IG Velo, Beilage 1
2. Vollmacht B. Zobrist, Beilage 2
3. Angefochtene Verfügung, Beilage 3
4. BGE vom 6.6.86, Beilage 4
5. Statuten der IG Velo Bern und weitere Dokumente zur Legitimation können im Bestreitungsfall nachgereicht werden.
 
 

III. BEGRÜNDUNG

1. Die angefochtene Verfügung bezweckt, mit dem zeitlich limitierten Anhalteverbot den lästigen Anlieferverkehr zeitlich zu beschränken, und damit die Umwelt- und Lebensqualität in den fraglichen Gassen in den Sperrzeiten zu erhöhen. Dieser Hauptzweck der Verfügung wird durch die Beschwerdeführer nicht bestritten, sondern begrüsst.

2. Man kann sich fragen, inwieweit ein Halteverbot gemäss Art. 30 SSV (Tafel 2.49) auch für Fahrräder gilt. Das Halteverbot im Bereich des Fahrbahnrandes gilt nach Art. 30 Abs. 2 SSV auch für das angrenzende Trottoir. In der Regel wird das Abstellen von Velos auf dem angrenzenden Trottoir nicht geahndet. Dort, wo das angrenzende Trottoir in einer Laube besteht, entstehen sofort grössere Konflikte. Durch den Zusatz „unbefugt abgestellte Fahrzeuge werden kostenpflichtig abtransportiert“, wird verdeutlicht, dass mit dem Verbot alle Fahrzeuge, also auch die motorlosen gemäss Art. 18ff SVG angesprochen sind.

Ob es wirklich die Absicht der verfügenden Behörde ist, mit der Signalisation auch das Abstellen von Velos am Fahrbahnrand, auf dem Trottoir der Genfergasse oder in den Laubenbogen zu verbieten, und den Verstoss mit kostenpflichtigem Abtransport zu ahnden, ergibt sich aus der publizierten Verfügung nicht. Da die Verkehrsregeln für alle Fahrzeuge gelten und auch Velos als (motorlose) Fahrzeuge (Art. 18 SVG) definiert sind, ist zu befürchten, dass mit der Massnahme gegen den störenden Zulieferverkehr ausserhalb der Sperrzeiten gleichzeitig eine starke Einschränkung des Velo-Zubringerverkehrs in die Signalisationszone verfügt würde.

3. Die Einschränkung des Velo-Zubringerverkehrs durch das Verbot, Velos im Perimeter Aarbergergasse-Neuengasse ausserhalb von markierten Parkflächen abzustellen, ist eine unverhältnismässige Massnahme. Damit würde gerade dieser umweltfreundliche und innenstadtgerechte Zubringerverkehr übermässig behindert.  Wir gehen davon aus, dass die Vorinstanz diese Nebenfolge der Verfügung kaum beabsichtigt oder jedenfalls nur ungenügend reflektiert hat. Die Beschwerdeführer fordern deshalb eine Teilkorrektur der Verfügung, indem der Zusatz „ausgenommen Fahrräder“ dem Halteverbot beigefügt wird.

4. Sollte die Vorinstanz wider Erwarten die Ansicht vertreten, eine klare Regelung des Veloabstellens im Perimeter sei aus Gründen des Ortsbildes oder zum Schutz des Fussgängerverkehrs begründbar und insgesamt zweck- und verhältnismässig, weisen die Beschwerdeführer darauf hin, dass im Perimeter nur eine ungenügende Anzahl Veloabstellplätze markiert und ausgeschieden worden ist. Damit das Gebiet mit seinen Wohnungen, Büros, Restaurants und  Einkaufsgeschäften rationell, kundengerecht und umweltfreundlich mit dem Velo angesteuert werden kann, sind im Strassenraum der Neuen- und der Aarbergergasse in regelmässigen Abständen Flächen für das Veloabstellen zu markieren. Ein Augenschein bei der Unterführung Neuengasse zeigt sofort, dass die heute angebotenen Veloabstellflächen im Perimeter völlig unterdotiert sind. Erst mit solchen zusätzlichen Abstellflächen würde der oben genannte  Zweck der Massnahme erreicht. Fussgängerinteressen und das Ortsbild werden erst dann geschützt, wenn ein geordnetes Abstellen der Fahrräder nahe bei den Zielorten ermöglicht wird. Mit Verboten ohne Alternative wird nur eine wilde Veloabstellerei gefördert, welche letztlich niemandem dient. Die Beispiele sind den Velofachleuten und der Stadtpolizei bekannt.

Damit erscheint die Massnahme bezüglich Veloverkehr übermässig einschneidend und unzweckmässig. Die Verhältnismässigkeit könnte nur dann gewahrt werden, wenn in regelmässigen Anständen genügend zusätzliche Veloabstellplätze am Fahrbahnrand markiert werden. Wie und wo dies zweckmässig ist, sollte anhand eines Augenscheins eruiert werden.

Beweismittel:
Augenschein
 

Damit ist das eingangs gestellte Rechtsbegehren begründet. Im Namen und Auftrag meiner Man-dantschaft grüsse ich Sie, sehr geehrter Herr Regierungsstatthalter,

mit vorzüglicher Hochachtung
 
 

Chr. Wyss, Fürspr.

Beilagen:
1. Vollmacht IG Velo, Beilage 1
2. Vollmacht B. Zobrist, Beilage 2
3. Angefochtene Verfügung, Beilage 3
4. BGE vom 6.6.86, Beilage 4
 

KK. Klientschaft