Bern, 24. Oktober 1995
Einsprache gegen Sanierung GBS-Brücke Weissensteinstrasse
1.
Für die vorgesehene Signalisation "Kein Vortritt" für die Radfahrenden am Ende der Brücke Fahrtrichtung Bümpliz gibt es im Strassenverkehrsrecht keine Grundlage. Sie ist weder für parallel verlaufende Fahrstreifen noch für den Übergang eines Radwegs in einen Radstreifen vorgesehen.
Im Gegenteil hat generell jener Verkehrsteilnehmer Rücksicht zu nehmen und gegebenenfalls Vortritt zu gewähren, der in einen andern Fahrstreifen wechselt (Art. 34 Abs. 3 und Art. 44 SVG) oder gar einen Radstreifen überquert (befährt) (Art 40. VRV). Den Radfahrenden steht der Vortritt gemäss Art. 40 Abs. 3, 4, 5 VRV sogar ausdrücklich zu. Sie verlassen ihre Fahrspur nicht.
Eine Signalisation "Kein Vortritt" in der vorliegenden Situation ist weder dieser angepasst noch gesetzeskonform noch praktikabel noch verkehrssicher:
Sie wurde offenbar im Bewusstsein vorgesehen, dass Radfahrende bei der "Wiedervereinigung" mit dem übrigen Verkehr ab einem baulich vom motorisierten Verkehr getrennten Radweg erheblichen Gefahren ausgesetzt sein können. In vorliegenden Fall einer für die Autofahrenden unvermittelten Wiedervereinigung sogar stark. Auf dem Radweg entgleitet der Veloverkehr kurzzeitig dem "Verkehrsbewusstsein" der Autofahrenden, die Aufmerksamkeit beider Verkehrsarten füreinander ist deutlich herabgesetzt. Der Entzug des Vortrittsrechts entschärft den Konfliktpunkt keineswegs und wäre reine Symptombekämpfung.
2.
Die Abfolge von Strasse - ca 100m Radweg - Radstreifen Richtung Bümpliz und die umgekehrte Abfolge in der andern Richtung, also die nur kurzzeitige Verkehrstrennung mittels Radweg, bedeutet für den Veloverkehr eine gefährliche Nichtkontinuität. Sie gaukelt den Velofahrenden Sicherheit vor, aus der sie nach der kurzen Strecke wieder in den Mischverkehr zurückgeworfen werden. Durch die kurzzeitige Verminderung der Beachtung des Veloverkehrs durch motorisierte Strassenbenützer und das trügerische Sicherheitsgefühl der Velofahrenden erhöhen sich die Gefahren bei der baldigen Wiedervereinigung.
3.
Die beidseitigen Ende des Radwegs bzw. des Radstreifens im Projekt haben den Charakter einer "Fahrstreifenaddition". Dieses Prinzip bedingt, dass Velo- und Motorfahrzeugverkehr über eine gewisse Strecke (30-70m) parallel, auf gleichem Niveau und ohne bauliche Trennung geführt werden müssen, bevor sie sich vereinigen, was im Projekt nicht der Fall ist.
4.
Die projektierte Veloführung hat vor allem Richtung Bümpliz gravierende Mängel:
Während des Fliessens oder gar Beschleunigens des Verkehrs, also z.B. bei Grünlicht, wäre es realistischerweise ein Ding der Unmöglichkeit, vom Radweg her einzuflechten. Abgesehen von der nötigen 180-Grad-Halswende wäre es den Radfahrenden verboten, nach der Autobahn strebende, also z.B. rechts blinkende Autos am Verlassen ihres Fahrstreifens zu hindern. Zudem müssten die Radfahrenden, um überhaupt eine Chance zur Weiterfahrt wahrnehmen können, sich darauf verlassen können, dass jedes Auto, das nicht nach rechts blinkt, die Fahrt des Velos auch wirklich nicht zu kreuzen gedenkt. Dass dies eine Illusion ist, belegt die Alltagserfahrung. Und die Autofahrenden fühlen sich gar nicht erst zur Zeichengabe, Rücksichtnahme oder gar Gewährung des Vortritts verpflichtet, weil Zweiräder erst nach der Brücke und unvermittelt in ihr Bewusstsein zurückkehren.
Bei Staubildung vor der LSA, also z.B. bei Rotlicht, wäre der Radstreifen, also der Übergang Radweg-Radstreifen, häufig blockiert, z.B. auch durch die zahlreichen Lastwagen. Der erhöhte Radweg auf dem Trottoir verunmöglicht es den Velos, vor Ende der Brücke, z.B. in einer Verkehrslücke oder bei Stau bereits auf der Brücke einzuspuren; schon gar nicht, um allenfalls nach links in die Turnierstrasse abzubiegen. Dies stellt gegenüber der heutigen Situation eine zusätzliche Verschlechterung dar. Die Radfahrenden würden logischerweise über das Trottoir bis zur LSA vorfahren und sich via Fussgängerstreifen vor der haltenden Kolonne Richtung Bümpliz oder Turnierstrasse aufstellen.
Als Ausweg bietet sich das abwechselnd getrennte Fahrenlassen des Verkehrs aus Autospur und Radweg, also das Aufstellen einer Lichtsignalanlage (LSA) unmittelbar nach der Brücke an, so dass der Radstreifen frei bliebe und für Velos ein Vorziehen zur Hauptampel möglich würde.
5.
In der Richtung Fischermätteli muss die Strecke der Zusammenführung von Rad- und Autoverkehr mindestens 50 m betragen.
Die vorgesehende Lösung ist nicht betriebssicher, widerspricht jeder Logik, verhindert einen geregelten fahrdynamischen Ablauf und ist, zumindest Richtung Bümpliz, als verkehrsgefährdend einzustufen.
Die Radfahrenden dürfen keinem Hin und Her ausgesetzt werden, sondern sollen kontinuierlich auf einem Radstreifen auf gleichem Niveau wie der übrige Verkehr geführt werden. Dies ermöglicht eine konsequente und sichere Leitung der Velos.
Deshalb dürfen nicht, wie projektiert, die Gehwege mit Radwegen ergänzt, sondern die Fahrbahn muss mit Radstreifen ergänzt werden.
Andernfalls muss das Projekt in erwähnter Weise mit einer zusätzlichen LSA ergänzt werden.
Dem Projekt in der vorliegenden Form ist der Bauabschlag zu erteilen.
Weil die vorgesehene Signalisation nicht gesetzeskonform ist, und die Situation beidseitig der Brücke der Verkehrssicherheit zu wenig Rechnung trägt, ist eine verbesserte Lösung zu suchen.
Die Velos sind auf der Fahrbahn zu führen, oder Radweg und Autospur sind mittels LSA zu regeln.
Der Verkehrssicherheit ist grösseres Gewicht beizumessen als dem "Denkmal"schutz.