Interessengemeinschaft
Velo des Kantons Bern
Tel 318 54 12

IG Velo Bern
Tel 318 54 10

PF 6711
3001 Bern

Fax 312 24 02

 

Einschreiben

Gemeindeverwaltung der Stadt Bern

zuhanden der Bau-, Verkehrs- und
Energiedirektion des Kantons Bern

 

Bern, 14. Dezember 1999

 

 

 

Einsprache gegen das Projekt "Städtische Nationalstrasse SN1 Zubringer Neufeld", Teilprojekte 1 und 2, Bern
 

 

Sehr geehrte Damen und Herren

 

Hiermit erheben die

IG Velo Kanton Bern

sowie die

IG Velo Bern

 

 

E I N S P R A C H E

 

 

gegen die Bauvorhaben im Rahmen der städtischen Nationalstrasse SN1 Zubringer Neufeld, Teilprojekt 1 und Teilprojekt 2.
 

Formelles

Die Interessengemeinschaften (IG) Velo sind überparteiliche Vereine i.S. von Art. 60 ff ZGB mit dem Ziel, die Verbreitung und Sicherheit des Verkehrsmittels Velo zu fördern, und die Interessen der Velofahrenden gegenüber den Behörden zu vertreten.

Die IG Velo Bern besteht seit dem Jahr 1978, hat über 3000 Mitglieder und ist in der Stadt und Region Bern aktiv.

In der IG Velo Kanton Bern sind alle regionalen IGs Velo vertreten, sie befasst sich unter anderem mit Verkehrsplanung und -massnahmen in kantonalen Angelegenheiten.

Die beiden Vereine sind befugt, Rechtsmittel zu ergreifen.

Sie sind gemäss Art. 35 und Art. 35a BauG zur Einsprache berechtigt.

 

Die Einsprachefrist, welche bis und mit dem 14.12.1999 läuft, ist mit der Postaufgabe eingehalten. Wir erwarten jedoch, dass auch verspätet eintreffende Eingaben noch berücksichtigt werden, da die erstmalige Publikation im Stadtanzeiger Bern erst am 17.11.1999 erfolgte.

 

Materielles

Allgemeines
 

Wir sind grundsätzlich nicht länger bereit, neue Nachteile für den Veloverkehr in Kauf zu nehmen, wie das zumindest die IG Velo Bern häufig bei Massnahmen auf dem Gemeindegebiet der Stadt Bern, die eigentlich ausschliesslich den MIV betreffen sollen oder durch diesen verursacht werden, erfahren muss. Dies gilt erst recht für Projekte, die unter der Stichwort "Verkehrsentlastung" verstanden werden sollen.

Neue Nachteile für den Veloverkehr würden sowohl den Beteuerungen des Gemeinderats wie auch den zahlreichen Willenskundgebungen des Stimmvolks (materielle Annahme von Bärn zum Läbe, Annahme Verkehrskompromiss Innenstadt und des Gegenvorschlags zur Fuss- & Veloinitiative) widersprechen.

Der Bau des Neufeldtunnels würde für den Veloverkehr einige wenige lokale Verbesserungen bringen, in einer Gesamtschau überwiegen aber gemäss jetzigem Projekt die Nachteile.

 

1. Schliessung der Halenstrasse für den motorisierten Verkehr
 

Die Sperrung der Halenstrasse für den Motorfahrzeugverkehr ist zwingender Bestandteil des Baus des Neufeldzubringers. Das Projekt ist ausgearbeitet, aus unerfindlichen Gründen lag es jedoch nicht auf. Stattdessen lag es gleichzeitig mit der Publikation der Ausführungsprojekte 1 und 2 zur (städtischen) Mitwirkung im Rahmen der Massnahmen zum Teilprojekt 3 auf.

Gemäss den Auflagedokumenten ist die Sperrung der Wildpark- und Halenstrasse zwar vorgesehen, die entsprechenden Publikationen sollen aber zu einem "späteren Zeitpunkt" erfolgen, mit der Begründung, es handle sich lediglich um Verkehrsbeschränkungsverfügungen. Dies ist falsch: Verkehrsbeschränkungsverfügungen sind nicht ausreichend, es sind bauliche Massnahmen erforderlich, wie sie bereits projektiert sind (Teilrückbau der Halenstrasse).

Jeder Versuch zu einer Teilschliessung, die lediglich auf Verkehrsbeschränkungsverfügungen beruht, nicht aber einen Rückbau zu Folge hat, wäre seit dem Entscheid des Regierungsstatthalters vom 12. September 1996 gegen die Gemeinde Bern betreffend Teilschliessungs-Verfügung vom 27. September 1995 aussichtslos. Da mit der Schliessung zwingend ein teilweiser Rückbau und damit bauliche Massnahmen (teilweiser Rückbau, Umwandlung in Fuss- und Radweg analog Wohlenstrasse) verbunden sind, ist nicht einzusehen, weshalb entsprechende Massnahmen nun nicht publiziert wurden. Die Auflage ist unvollständig. Solche Massnahmen müssten zwecks Schaffung der Transparenz sowie Sicherstellung der Gleichzeitigkeit der Massnahmen in Teilprojekt 1 und 2 jetzt publiziert worden sein. Dies ist nicht geschehen.

Wir verlangen die Neuauflage der Publikationen mit diesen Massnahmen.

Die einzige Alternative zur Schliessung inklusive bauliche Veränderungen ist die völlige Offenhaltung (status quo), und dies wiederum würde zwingend einen Ausbau der ganzen Strasse erfordern, da die Halenstrasse zu den gefährlichsten Berns gehört. Sie ist dem heutigen Verkehrsaufkommen in keiner Weise gewachsen. Namentlich für den Veloverkehr ist die Verkehrssicherheit nicht gewährleistet. Zu den alltäglichen Risiken hinzu komme gefährliche Überholmanöver von Autos trotz (oder wegen) der Sicherheitslinie, die höchsten Übertretungsraten der Tempolimiten in Bern (19% bei einer Radarkontrolle der Stadtpolizei vom August 1999!).

Weitere Beispiele: Radarkontrolle an verschiedenen Orten in Bern vom 14.10.1999: höchste registrierte Geschwindigkeit: auf der Halenstrasse. Regelmässig pressekundige Verkehrsunfälle auf der Halenstrasse: letztmals am 10.9.1999, 10.11.1999 und 10.12.1999.

Über den oberen Teil der Halenstrasse führt zudem die kantonale Radwanderroute Nr. 1, was besondere Ansprüche an die Sicherheit stellt.

Die Offenhaltung für den Motorfahrzeugverkehr oder gar ein Ausbau würde dem Regierungsratsbeschluss Nr. 832 vom 7.3.1973 (Schliessung der Halenstrasse mit der Inbetriebnahme des Neufeldtunnels) wiedersprechen.

Ausserdem wäre die mit Teilprojekt 3 (Stadt) versprochene Entlastung der Länggassstrasse und der Schanzenbrücke ausgeschlossen.
 
 

2. Velounterführung Tunnelportal Tiefenaustrasse
 

Die Unterführung für den Veloverkehr ist grundsätzlich sehr zu begrüssen. Auch die Überdeckung der Rampen ist in jeder Hinsicht zweckmässig. Hierbei sollte jedoch noch der Spritzschutz für die Rampen gegen die Strasse hin verbessert werden.

Klar zu schmal ist jedoch der Querschnitt der Durchfahrt. 2.50m sind viel zu wenig. Die Krümmung verkürzt die Sichtdistanz. Auf und in Radverkehrsanlagen muss hin und wieder mit Fussgängerinnen und Fussgängern oder absteigenden Velofahrenden gerechnet werden. Die Erfahrungen andernorts im Kanton belegen, dass Unterführungen unter 4 m Breite nachträglich verbreitert werden müssen (z.B. Heimberg/Oppligen).

Wir verlangen eine Auslegung der Breite auf 4.50 m. Durch eine vertretbare Sichtdistanz sowie Ausweich- und Überholraum ist die Sicherheit gewährleistet. Es ist auch sichergestellt, dass der Schwung des Gefälles in die Steigung hinübergerettet werden kann und niemand absteigen muss.

Im Längsprofil der Auflage waren verschiedene "unstetige" Steigungsänderungen erkennbar.

Wir verlangen, dass in der Ausführung keine abrubten Gefälls- und Steigungsänderungen gemacht werden. Alle vertikalen Krümmungsradien müssen wesentlich grösser sein als ein 28-Zoll-Velorad ("runde" Gefällsänderungen).
 
 

3. Henkerbrünnlikreuzung

 
Der Verkehrsknoten Henkerbrünnli ist bereits heute äusserst stark mit MIV belastet und dementsprechend für den Veloverkehr "ungemütlich".

Für eine Zukunft mit dem realisierten Neufeldtunnel sehen wir hier neue massive Nachteile auf die Velofahrenden zukommen. Hier kreuzt der starke Velostrom von und nach der Neubrückstrasse den neu zu erwartenden starken Autostrom von und nach der Tiefenaustrasse. Die Situation des Langsamverkehrs, für welchen die Beziehung Brückfeld/Innenstadt von grosser Wichtigkeit ist, wird mit der vorliegenden Lösung nicht verbessert.

Ungenügend ist vor allem die Velobeziehung von der Schützenmattstrasse in die Neubrückstrasse.

Ein aufgeweiteter Radstreifen in der Einmündung Schützenmattstrasse ist völlig ungenügend.

Es braucht hier nebst dem normalen Einspuren in die Mitte zusätzlich die Möglichkeit eines indirekten, konfliktfreien Spurwechsels analog einem indirekten Linksabbiegen. Dazu muss der Trichter der Einmündung Schützenmattstrasse aufgeweitet werden, so dass einerseits schon vor der LSA in der Mitte zwischen den Spuren Richtung Neubrück- bzw. Tiefenaustr. ein Radstreifen Platz hat und rechts ein Warteraum für indirekt fahrende Velos geschaffen werden kann. Damit ist auch klar die Forderung nach einer separaten LSA-Regelung für den Veloverkehr verbunden, sowohl aus der Mitte heraus wie auch aus dem Warteraum rechts.

Ein braucht ein Dauergrün für Velos, das nur durch Fussgänger unterbrochen werden kann.

Auch für die übrigen Beziehungen ist eine Verschärfung der Situation zu befürchten.

Was trotz Umgestaltung der Kreuzung immer noch fehlt, ist eine Linksabbiegemöglichkeit von der Neubrückstrasse ab Bierhübeli Richtung Engehaldenstrasse! Hier müsste zumindest eine indirekte Möglichkeit angeboten werden.
 

4. Schliessung Wildparkstrasse
 

Die Wildparkstrasse wurde offenbar gar nicht einem Perimeter Teilprojekt 1 oder Teilprojekt 2 zugeordnet. Die Schliessung der Wildparkstrasse erfordert jedoch sicher auch bauliche Massnahmen.

Lobend zu erwähnen ist die Passerelle der Wildparkstrasse über die Tiefenaustrasse. Jede andere Lösung wäre völlig untauglich.
 
 

5. Bierhübelikreisel und Anschluss Wildparkstrasse an diesen Knoten
 

Die projektierte Aufhebung des Bierhübelikreisels ist nicht gerechtfertigt. Der Anschluss des Radwegs Wildparkstrasse an diese Kreuzung scheint nicht speziell geplant worden zu sein.

Wir erwarten die Beibehaltung des Kreisels. Für diesen Fall ist aber der Anschluss des Radwegs Wildparkstrasse auch nicht gerade optimal.

Prüfenswert ist hier ein Anschluss des Radwegs an die Neubrückstrasse, vis-à-vis der heutigen Bushaltestelle.

 

6. Bierhübeliweg
 

Die Ausfahrt vom Bierhübeliweg auf die Neubrückstrasse ist für Velos heute zugelassen, aber nur Richtung Stadt (rechtsabbiegen).

Da die Bushaltestelle nach Norden verschoben wird und somit kein Sichtproblem mehr besteht, verlangen wir die Öffnung der Ausfahrt Bierhübeliweg nach beiden Seiten sowie eine velogerechte Gestaltung der Einfahrt von Norden her, die heute umständlich und gefährlich ist.
 
 

7. Knoten Nord (letzter Kreisel auf Neubrückstrasse vor Halenbrücke)
 

Der Radius des Kreises ist zu gross gewählt, so dass zu hohe Geschwindigkeiten möglich sind und dadurch der Veloverkehr vermehrt gefährdet wird.

Wir verlangen, dass die Geometrie auf ein Geschwindigkeitsniveau von max. 30 km/h ausgerichtet wird (Durchmesser kleiner, Anschlüsse radialer, insbesondere die Ausfahrt von der Autobahn!).

 

8. Knoten Neubrückstr./Bremgartenstr./Studerstr., Zufahrt aus Norden
 

Auf der Zufahrt aus Norden ist der Veloverkehr in der Mitte zwischen einer Rechtsabbiegespur und der Geradeausspur geführt.

Dieser Lösung können wir nur zustimmen, solange auf der Rechtsabbiegespur absolut keine anderen Manöver als das Rechtsabbiegen zugelassen sind, namentlich keine geradeausfahrenden Taxis oder öffentlichen Verkehrsmittel!
 
 

9. Neubrückstrasse: Ausdehung Tempo-30-Zone und Vortrittsregelung Beaulieustr.
 

Die Tempo-30-Zone an der Neubrückstrasse muss zweckmässigerweise unmittelbar bis zu den MIV-Dosieranlagen ausgedehnt werden (Höhe Engeriedweg bzw. Bierhübeliweg). Dort befinden sich dann bereits "natürliche" Torsituationen.

Namentlich auf der Nordseite macht es absolut keinen Sinn, mit der Zone erst auf der Höhe Neufeldstrasse zu beginnen, da das bewohnte Strassenstück ja beim Engeriedweg beginnt. Ohne Tempo 30 lässt sich auch der geplante Rechtsvortritt der Beaulieustrasse gegenüber der Neubrückstrasse nicht verantworten. Ausserdem ist es unstatthaft, den Verkehr mit 50 km/h auf die geplante Flanierzone in der unteren Neubrückstrasse loszuschicken.

 

10. Kreuzung Neufeldstrasse/Neubrückstrasse
 

Eigenartigerweise gibt es auch Widersprüche zwischen den Unterlagen der Publikation des Ausführungsprojektes und den Mitwirkungsauflagen, obwohl sie sogar vom gleichen Büro erstellt wurden.

In den Plänen der Mitwirkungsauflage gilt auf der Kreuzung Neufeldstrasse/Neubrückstrasse Rechtsvortritt, und dies obwohl die Tempo-30-Zone vom Brückfeld aus gesehen auf allen Strassen erst nach der Kreuzung beginnen soll, während in der Auflage des Ausführungsprojekts "kein Vortritt" signalisiert werden soll.

Auch hier schafft die Verlegung des Zonenbeginns (Punkt 8) Abhilfe: Der Kreuzungsbereich selber muss bereits in der Tempo-30-Zone liegen, der gemäss Mitwirkungsauflage geplante Rechtsvortritt ist gerechtfertigt, und es können Signaltafeln eingespart werden.

 

Rechtsbegehren

Das Ausführungsprojekt ist unvollständig und verbesserungswürdig und somit zurückzuweisen.

 

· Das Verfahren ist mit der vervollständigten Auflage zu wiederholen oder die Publikation von Sperrung und Rückbau der Halenstrasse ist sofort nachzuholen.

· Dem Projekt in der vorliegenden Form ist die Bewilligung zur Ausführung zu verweigern, die beanstandeten Punkte sind zu verbessern.

 
 

 

 

Wir hoffen auf eine baldige Einigung und verbleiben

mit freundlichen Grüssen
 
 
 
IG Velo Kanton Bern
Sabine Gresch
Co-Präsidentin

 

IG VELO BERN
Eva von Ballmoos
Präsidentin