10.7.2002
Einsprache gegen das Reglement über die Reklame in der Stadt Bern
Grundsätzlich begrüssen wir die Schaffung eines Reklamereglements.
Für uns steht im Vordergrund, dass die Verkehrssicherheit nicht unter Reklamen leidet, und dass das Reglement diesbezüglich klare Richtlinien enthält und das übergeordnete Recht transparent umsetzt.
Deshalb unterstützen wir ausdrücklich Art. 1 Abs. 2, wonach die Verkehrssicherheit nicht beeinträchtigt werden darf, und Art. 4 Abs. 1 RR, wonach Reklamen keinen Gefahrenzustand schaffen dürfen.
Anderes fehlt jedoch oder ergibt Widersprüche. Die Nennung von Vorbehalten oder die Erwähnung übergeordneten Rechts erscheint uns nicht einheitlich:
1. Auch für den Bereich Verkehr und Verkehrssicherheit muss sich das RR grundsätzlich am übergeordneten Recht orientieren:
Gemäss Art. 6 SVG dürfen Reklamen "namentlich durch Ablenkung der Strassenbenützer" die Verkehrssicherheit nicht beeinträchtigen.
Klare Vorschriften sind in Art. 95-100 SSV formuliert.
Gemäss Art. 1 Abs. 1 RR soll der Vollzug des übergeordneten Rechts geregelt werden, konkrete Regelungen für den Vollzug der verkehrsspezifischen Vorschriften fehlen dann aber. Auch ein allgemeiner Verweis auf dieses übergeordnete Recht fehlt im Reglement.
Einzig bei Art. 8 RR wird in einer Fussnote auf das übergeordnete Recht, die SSV verwiesen. In der gleichen Fussnote werden auch noch die "Weisungen über Strassenreklamen" des EJPD vom 20. Okt. 1982 (im Weiteren "Weisungen des EJPD" genannt) erwähnt. Die Anwendbarkeit dieser Weisungen des EJPD ist umstritten, denn sie stehen zum Teil im Widerspruch zu Bestimmungen der SSV.
Bei Art. 8 RR ist deshalb Klärung nötig.
2. Art. 7 RR:
Für Reklamen entlang von Strassen ist ein Verweis auf das übergeordnete Recht und allenfals der Vorbehalt von Art. 4 Abs. 1 RR nötig.
Der Abstand von Reklamen (z.B. Plakatstellen) vom Fahrbahnrand ist für die Verkehrssicherheit, namentlich auch für die Sicherheit von Velofahrenden und Fussgängerinnen und Fussgängern, zentral. Wie die jüngsten Gesuche für Plakatstellen in Bern zeigen, möchten die Gesuchsteller die Bestimmungen aus der SSV strapazieren und Plakatstellen z.B. dicht am Fahrbahnrand oder neben Radwegen aufstellen können.
In vielen solchen Fällen ist damit eine Verkehrsgefährdung bereits gemäss Art. 6 SVG verbunden, und zudem verletzen solche Plakatstellengesuche Art. 97 Abs. 2 SSV, welche für freistehende Strassenreklamen 3 Meter Abstand vom Fahrbahnrand vorschreibt.
Der Kanton Zug hat 1999 unter anderem bezüglich der Abstandsvorschriften Widersprüche zwischen SSV und den Weisungen des EJPD erkannt. Die dadurch ausgelöste Diskussion zwischen verschiedenen Bundesstellen sowie zwischen Bund und dem Kanton Zug führte dazu, dass der Kanton Zug seine Gemeinden anwies, sich nur dort auf diese Weisungen des EJPD abzustützen, wo sie die SSV ergänzen oder konkretisieren, nicht aber dort, so sie in offensichtlichem Widerspruch dazu stehen. In den übrigen Fällen sei also auf die SSV abzustützen.
Gemäss BGE 119 Ib 41 können Weisungen dienlich sein, um eine einheitliche und rechtsgleiche Praxis der anwendenden Behörden zu gewährleisten. Materiell aber sind die Weisungen an den Rahmen des Gesetzes- und Verordnungstextes gebunden. Art. 97 Abs. 2 SSV fordert für freistehende Strassenreklamen ausdrücklich 3 Meter Abstand von der Fahrbahn. Gemäss Weisungen des EJPD genüge aber ein Abstand von 0,5m "auch für andere freistehende Reklamen" als für Firmenanschriften, sofern sie gewisse Flächen nicht überschreiten. Wenn die Weisungen des EJPD - wie hier - in offensichtlichem Widerspruch stehen zur SSV, so erwächst diesen Weisungen kein rechtssetzender Charakter, es gilt die Verordnung. Für die Schaffung mehrerer Kategorien von freistehenden Strassenreklamen wie in den Weisungen des EJPD besteht keinerlei Spielraum. Deren Anwendbarkeit ist demnach nicht gegeben.
Wir fordern deshalb in Art. 7 RR die Erwähnung des übergeordneten Rechts der SSV und den Ausschluss der Anwendbarkeit der Weisungen des EJPD für den Abstand freistehender Strassenreklamen von der Fahrbahn. Dies im Interesse der Verkehrssicherheit und auch im Interesse der Rechtssicherheit für Gesuchsteller von Reklamen.
3. In Art. 9 RR findet die Sicherheit der Fussgängerinnen und Fussgänger und deren Zirkulationsmöglichkeit Erwähnung.
Weil damit offenbar eine Konkretisierung des übergeordneten Rechts angestrebt wird, so ist eine solche Konkretisierung auch auf andere Örtlichkeiten als nur auf Haltestellen des öffentlichen Verkehrs anzuwenden, und ebenfalls auf andere Verkehrsarten als Fussgängerinnen und Fussgänger auszurichten. Plakatstellen können vor allem durch Sichtbehinderungen zwischen Fahrbahn und übrigem Strassenraum verkehrsgefährdend wirken, gerade an Orten wie Haltestellen, wo sich viel Publikum aufhält und zirkuliert.
Deshalb sind solche Bestimmungen inhaltlich zu erweitern und auch auf andere Artikel, namentlich Art. 7 RR, auszudehnen, und nicht nur auf Art. 9.
4. Bei Art. 21 RR ist klar festzuhalten, dass Ausnahmen nur unter Berücksichtigung des übergeordneten Rechts gehandhabt werden können. Es kann nur als ergänzende Bestimmung verstanden werden, das Bundesrecht darf nicht relativiert werden.
Wir beantragen kohärente Formulierungen und Verweise gemäss obigen Ausführungen, insbesondere in den Artikeln 7 bis 9 in Bezug auf die Verkehrssicherheit sowie auf die Anwendung des übergeordneten Rechts, letzteres auch für Art. 21 RR.