Replik zur Beschwerdeantwort
der Polizeidirektion
Bern, den 16.8.2004
L.S.I.
An das
Regierungsstatthalteramt von Bern
Amthaus
Hodlerstrasse 7
3011 Bern
14.5.9/ 46-04
Stellungnahme zur Beschwerdeantwort
für
2. Herrn Beat Zobrist, Büro für Organisationsentwicklung und Projektmanagement, Neuengasse 8, 3011 Bern, privat: Greyerzstr. 33, 3013 Bern,
gegen
Sehr geehrte Damen und Herren,
Nach Durchsicht der Beschwerdeantwort teilen wir Ihnen mit, dass an der Beschwerde festgehalten wird. Wir ersuchen Sie, eine Instruktionsverhandlung mit Augenschein durchzuführen, zu welchem die Stadt nicht nur durch die Verkehrspolizei, sondern auch durch die Stadtplanung und die Velofachstelle vertreten sein sollte.
Die Ausführungen der Beschwerdegegnerin werden grundsätzlich bestritten.
1. Mit dem Vekehrskompromiss wurde in der Volksabstimmung vom 23.11.1997 erreicht, dass die beiden hängigen, sich teilweise widersprechenden Initiativen "Bärn zum Läbe " und "Mehr Bern - weniger Verkehr" zurückgezogen wurden. Dabei ging es um neue Parkierungsregelungen für den Autoverkehr. Keine der beiden Initiativen hätte irgendwelche Einschränkungen für den Veloverkehr enthalten. Aus der Vorgeschichte ergibt sich kein politischer Wille der Stimmbürger, die Beschränkungen auf das Veloabstellen auszudehnen. Die von einer Mehrheit bejahte Initiative "Bärn zum Läbe", hatte vielmehr eine aktive Förderung und Bevorzugung des Veloverkehrs vorgesehen. Das Ziel fussgängerfreundlicher Zonen setzt unseres Erachtens Verständnis für velogerechte Erschliessung voraus.
2. Bezüglich bestehender Signalisation können wir den von der Beschwerdegegnerin behaupteten Zustand nicht erkennen: Eine MIV-Fahrverbotszone nach Art. 2a SSV ist nur für die Neuengasse und die Genfergasse Süd signalisiert, in der Aarbergergasse gilt "nur" ein MIV-Fahrverbot gemäss Art. 19 SSV. Tempo 30 ist je nach Zufahrt nicht als Zone signalisiert. Auch die Einbahnregelung mit Velo-Gegenverkehr gilt (leider) nur in der Aarbergergasse (Beweismittel: Augenschein).
3. Wir bestreiten die behauptete Tragweite von Art. 79 SSV für das Veloabstellen. Art. 79 SSV steht systematisch im 9. Kapitel „Markierungen". Markierungen betreffen die Fahrbahn, nicht den privaten Raum ausserhalb der Fahrbahn (Art. 5 SVG). Der Satzteil: „… dürfen Fahrzeuge nur innerhalb dieser Felder abgestellt werden," gilt für Fahrräder nur bezüglich des Abstellens auf der Fahrbahn. Dass ausserhalb der Fahrbahn für das Veloabstellen andere Regeln gelten, belegt Art. 41 Abs. 1 VRV. Die Strassenränder ausserhalb der Fahrbahn in der Innenstadt haben nach Auffassung des Stadtplanungsamts eine Art Allmend-Charakter, so dass dort Velos traditionell abgestellt werden dürfen, solange sie den Fussgänger- und Fahrverkehr nicht behindern. Wo dies den privaten Grundeigentümern nicht passt, schützen sich diese traditionell durch ein privatrechtliches richterliches Verbot.
4. Aus der Beschwerdeantwort entnehmen wir, dass das Veloabstellverbot an den Mauern ausserhalb der markierten Parkfelder von der Stadtpolizei nicht irrtümlich publiziert, sondern beabsichtigt wurde. Mit dem Einbezug des Velos in die Parkierungsregelung ausserhalb der Fahrbahn versucht die Polizeidirektion entgegen der Haltung des Stadtplanungsamtes eine velofeindliche Regelung durchzudrücken. Das freie Veloabstellen an der Hausmauer soll laut Polizeidirektion der Stadt grundsätzlich aufgehoben und das Velo bezüglich Abstellen völlig dem Auto gleichgestellt werden. In der Neuengasse und Aarbergergasse gibt es Zwischenbereiche zwischen Laubenbogen und Fahrbahn, welche sich zum störungsfreien Veloabstellen eignen. Nach der publizierten Regel riskiert der Radfahrer, welcher sein Velo hinter einem Brunnen, an einem Geländer oder an einem Laubenpfeiler hinstellt, das Wegräumen und die Parkbusse. Das steht in krassem Gegensatz zur von der Stadt propagierten Veloförderung und widerspricht den vom Gemeinderat mehrmals geäusserten Planungsabsichten (vgl. Antwort auf Postulat Balsiger). Es führt zudem zu einer Rechtsunsicherheit, weil ausserhalb des speziell publizierten Perimeters Velos in der Stadt Bern grundsätzlich frei an Hausmauern parkiert werden dürfen.
5. Die Halteverbote schränken den Veloverkehr in den Gassen stark ein. Die Gassen sind Zielorte der Velofahrer. Wenn die Besucher das Velo nicht mehr hier abstellen können, werden die Geschäfte der betreffenden Gassen entwertet und die Veloerschliessung der Innenstadt als solche torpediert. Das Ziel, mehr Lebensqualität in die Gassen zu bringen, wird erreicht durch konsequente Durchsetzung der Massnahmen bei den Motorfahrzeugen, was die IG Velo keineswegs anficht. Die Ausdehnung der Massnahmen auf Velos ist unverhältnismässig, weil diese die Gassennutzung durch Fussgänger und Restaurants nicht in vergleichbarer Weise stören: Kein Lärm, keine Abgase beim Parkieren.
6. Die Argumentation der Vorinstanz in Ziff. B überträgt die Argumente gegen störenden motorisierten Zubringerverkehr undifferenziert auf die Velos. Mit der Markierung von Anlieferflächen wird sichergestellt, dass die für die Anlieferung vorgesehenen Räume nicht mit parkierten Velos belegt werden, so dass erstere nicht behindert wird. Wo keine Anlieferung stattfindet, stören Velos am Mauerrand oder an Geländern nicht. Konflikte mit der Aussenbestuhlung sind lösbar, indem die gemieteten Aussenbestuhlungflächen markiert werden. Darüber hinausgehende Massnahmen sind nicht nötig. Weshalb die abgestellten Velos angeblich „während der Sperrzeiten am meisten stören" sollen, ist nicht nachvollziehbar, zumal Velos weder durch Lärm stören noch Abgas über die frischbestellte Pizza blasen.
7. Zur Unverhältnismässigkeit: Das von der Stadt vorgesehene System wird kollabieren, weil, wie der Augenschein zeigen wird, viel zu wenig Veloabstellflächen in Aarberger- und Neuengasse ausgeschieden und markiert sind. Der Hinweis der Stadtpolizei, sie wolle im heutigen Umfang Veloabstellplätze markieren, trägt nichts zur Problemlösung bei. Zur Zeit verfügt die Stadt nicht einmal über verbindliche Angaben zum Status quo. Damit das von der Stadtpolizei beabsichtigte Ordnungssystem zweckmässig funktioniert, verhältnismässig ist und mit dem Ziel des Verkehrskompromisses vereinbar wird, müssten zusätzliche Veloabstellplätze für kurzzeitiges Abstellen von Velos geschaffen werden, und zwar möglichst dezentral in der ganzen Gasse. Diese Abstellplätze brauchen aus unserer Sicht nicht vollumfänglich markiert zu werden, solange kein Park- oder Halteverbot gilt. Einschränkende Massnahmen wären frühestens zu prüfen, wenn es viele störende Veloansammlungen gäbe.
a) An der Ostseite der Aarbergergasse besteht ein Velofeld von 5 Metern Länge, während die effektiv abgestellte Veloreihe oft 10 Meter breit ist. Da in diesem Bereich Poller gesetzt werden, ist die Aufhebung dieser Plätze zu befürchten. Am Eingang der Neuengasse, vor dem Büro des Beschwerdeführers Zobrist, war ein ca 12 Meter langer Velo-Abstellplatz markiert. Entgegen der Aussage in der Beschwerdeantwort ist dieses Feld immer noch rechtmässig (Augenschein), wenn auch die Markierung verbleicht und die Stadt sich bislang geweigert hat, sie zu erneuern. Im gesamten von der Publikation erfassten Areal bestehen noch vier weitere Veloabstellflächen, welche jedoch zu klein sind, überquellen und der Nachfrage nach Veloabstellplätzen nicht genügen. Nun ist zu befürchten, dass an den Gasseneingängen im Konflikt mit den Pollern Veloabstellplätze aufgehoben statt geschaffen werden.
b) Mit der neuen Platzgestaltung werden die Veloabstellflächen auf dem Waisenhaus- und Bundesplatz aufgehoben. Damit drängt die Nachfrage in die anschliessenden Gassen.
c) In Neuen-, Genfer- und Aarbergergasse sind mindestens 60 Laufmeter zusätzliche Veloabstellflächen notwendig, um das von der Stadt vorgesehene Veloabstellverbot ausserhalb der markierten Felder durchführbar werden zu lassen. Diese Flächen wären grundsätzlich vorhanden. Sie sind so zu verteilen, dass Fusswege von den Veloparkfeldern zu den Zielorten weniger als 50 Meter betragen, in allen Fällen aber kürzer als 100 Meter werden. Die Flächen sind an einem Augenschein zu bezeichnen und anschliessend von der Stadtverwaltung zu evaluieren.
8. Sofern es gelingt, eine genügende
Anzahl von Veloabstellplätzen in den umstrittenen Gassen zu markieren,
ist die IG Velo allenfalls bereit, die umstrittene Signalisation versuchsweise
und ohne Präjudiz für andere Innenstadtgassen zu akzeptieren.
Die Beschwerde wird im Sinn des Eventualbegehrens aber nur und erst dann
zurückgezogen, wenn die an einer Instruktionsverhandlung zu bezeichnenden
zusätzlichen Veloabstellplätze in den genannten Gassen rechtlich
sichergestellt sind.
Damit bitten wir Sie, eine Instruktionsverhandlung mit Augenschein anzusetzen, welche möglicherweise zu einer beidseits befriedigenden Lösung führen kann. Im Namen und Auftrag meiner Mandantschaft grüsse ich Sie, sehr geehrter Herr Regierungsstatthalter,
Chr. Wyss, Fürspr.
Postulat Oskar Balsiger, Beilage
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KK. Klientschaft