Fall Plakatständergesuche Thorackerstrasse Muri BE



Link:
Gebaute, gefährliche Plakate, welche Bundesrecht verletzen
zufälligerweise auch in Muri, zufälligerweise auch von der Allgemeinen Plakatgesellschaft APG)
(jedoch nicht Gegenstand des unten beschriebenen Verfahrens!)

Kurz-Chronologie im Fall Thorackerstr. Muri BE (rückwärts chronologisch)



27.1.2005

Details

Um die Jahrtausendwende begann (vermutlich nicht nur im Grossraum Bern) der Boom von fixen (und mobilen) Plakatständern auf Trottoirs, nahe am Strassenrand oder an unübersichtlichen Stellen. Parteien und Organisationen im Raum Bern erhoben Einsprachen. "Dank" der Plakatgesellschaft APG gelangte ein Fall bis vor Bundesgericht, und die IG Velo bekam Recht.

Als erste Organisation zog die IG Velo Bern Ende 2002 ein trotz ihrer Einsprache bewilligtes Gesuch der Allgemeinen Plakatgesellschaft APG an den Kanton weiter (zwei Plakatständer an der Thorackerstrasse in Muri BE). Als problematisch erachtete die IG Velo Bern die Sichtbehinderung und einen Verstoss gegen die Signalisationsverordnung SSV des Bundes, die 3 Meter Abstand von der Fahrbahn vorschreibt.
Die Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion (BVE) hiess die Beschwerde im Juni 2003 gut und hob die Baubewilligung auf. Sie verneinte ein genügend grosses Interesse der APG an genau diesem Plakatstandort, und dem Bauvorhaben stehe das öffentliche Interesse an der Verkehrssicherheit entgegen. Zudem wurde die Gemeinde Muri gerügt, weil sie das Geschäft dem Regierungsstatthalter hätte überlassen sollen.

APG zog weiter

Gegen den Entscheid der BVE führte nun die APG Beschwerde vor Verwaltungsgericht. Dieses veranlasste eine Besichtigung vor Ort und befragte Experten. Im Juli 2004 bestätigte es die Haltung der BVE: Die Plakate seien geeignet, in gewissen Fällen die Verkehrssicherheit zu gefährden, was das eidg. Strassenverkehrsgesetz verletze (Art. 6 SVG). Dazu reiche bereits eine potentielle, nicht einmal in der Regel eintretende, mittelbare Gefährdung aus.
Auch damit konnte die APG nicht leben und zog den Fall ans Bundesgericht (BG) weiter. Im Dezember 2004 wies es die Beschwerde ab, die Begründung folgte im Januar 2005: Die Vorinstanz und die Rügen der IG Velo Bern wurden vollumfänglich gestützt. So hat sich das BG auch klar zur Verbindlichkeit des 3-Meter-Abstandes bekannt. Die umstrittene, untergeordnete Bundes-Weisung aus dem damaligen EJPD (Aera Furgler), die im Widerspruch zur SSV für gewisse Fälle 0,5 Meter erlauben würde, könne gemäss Bundesgericht nur zu einer anderen Beurteilung führen, wenn es an jeglichen Sicherheitsbedenken fehlen würde, was hier nicht der Fall sei. Zudem habe die Verkehrssicherheit gegenüber wirtschaftlichen Interessen ein grosses Gewicht.
Das Bundesgericht wies die Beschwerde der APG ab, und es bestand auch kein Anlass, die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen.
 

Kommentar

Bislang hat vor allem die APG den (vermeintlichen) Spielraum, der durch sich teils widersprechende Bundesvorschriften (SSV und EJPD-Weisung) sowie weitgehend fehlende Regelungen bei Kantonen und Gemeinden entstand, unbekümmert - um nicht zu sagen unverfroren - ausgereizt. Durch problematische Standorte hat sie die Einsprachen erst recht provoziert.
Andere Plakatfirmen (wie zum Beispiel Plakanda) haben die 3-Meter-Vorschrift übrigens immer vorbildlich eingehalten.

Konfrontation statt Verhandlung

Schon im Fall Thorackerstrasse Muri bot die IG Velo den Rückzug der Einsprache an, falls der Standort gewechselt wird (grösserer Abstand), oder das Plakat parallel zur Strasse gestellt wird. Die APG fühlte sich aber so sicher, dass sie sogar eine Einspracheverhandlung ablehnte. Die Baubewilligung der Gemeinde Muri ist spätestens jetzt als ziemlich unbedarft einzustufen. So waren wir gezwungen, die Baubewilligung Muris anzufechten. Die IG Velo verlangte eine grundsätzliche Klärung, ob denn Bundesvorschriften wie der vorgeschriebene 3-Meter-Abstand überhaupt etwas gelten. Sowohl die BVE wie das Verwaltungsgericht wagten sich jedoch nicht an die Beurteilung von Widersprüchen im Bundesrecht; sie argumentierten mit kantonalen Bauvorschriften und der allgemeinen Verkehrssicherheit gegen die Plakate.
Während laufender Verfahren hat die IG Velo der APG bis im Frühling 2003 zweimal (einmal mündlich, einmal schriftlich) ein Gesprächsangebot gemacht, damit man gemeinsam unproblematische Plakatstandorte evaluieren könnte. Die APG hat dies abgelehnt. In der schriftlichen Antwort hiesse es, sie könnten sich nicht vorstellen, mit uns konstruktiv zu verhandeln. Dies obwohl wir nicht systematsisch gegen alle SSV-widrigen Plakate Einsprachen erhoben, sondern nur die verkehrsgefährdenden Standorte bekämpften.
Das Bundesgericht war deutlicher:
Die Verkehrssicherheit gilt mehr als die (Ge-)Werbefreiheit.
Und die 3 Meter Mindestabstand gelten grundsätzlich. Wo auch nur geringe Sicherheitsbedenken bestehen, sind die 3 Meter Abstand von der Fahrbahn einzuhalten. Wörtlich: "Diese Weisungen können nur zu einem andern Resultat führen, wenn es für den vorgesehenen Standort an jeglichen Sicherheitsbedenken fehlen würde, was hier gerade nicht der Fall ist."
 

Sichthindernisse abräumen!

Allein im Grossraum Bern stehen dutzende, wenn nicht hunderte von Plakaten näher als 3 Meter an der Fahrbahn. Sicher wäre es unverhältnismässig zu verlange, alle zu "verpflanzen", dennoch ist naheliegend, dass viele davon rechtswidrig sind und die Verkehrssicherheit teilweise gefährden. Paradebeispiel sind die Plakate an der RBS-Station im Zentrum Muris. Solch monströse Sichthindernisse im Bereich von Fussgängerstreifen, die geltendes Bundesrecht zweifelsfrei auf krasseste Weise missachten, müssen verschwinden! Gegen das Bundesamt für Verkehr, das solche Tramstationen als Ganzes bewilligt, läuft auch 2005 noch eine Aufsichtsbeschwerde der SP.
Bundesämter, Kantone und Gemeinden brauchen klare und rechtssichere Regelungen. Die IG Velo Schweiz hat sich für solche Schutzbestimmungen in der laufenden Revision des Strassenverkehrsrechts eingesetzt. Das Ergebnis ist noch offen.

Thomas Schneeberger, für das Velojournal 1/2005


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